Blutet die Fußball-Region aus? / DFB-Koordinator fordert Einbindung der Schulen in den Trainingsbetrieb FUSSBALL
Von Siegfried Zerrenner
Die ansprechenden Leistungen der jüngsten Fußballer bei den kürzlichen KURIER-Mastersturnieren der E- und F-Jugend stimmen zwar zuversichtlich, doch können sie die gegenwärtige Krisenstimmung im Bayreuther Nachwuchsbereich nicht übertünchen. Die harten Fakten: Die SpVgg ist erstmals seit Jahrzehnten weder in der A- noch in der B-Jugend-Bayernliga vertreten und immer häufiger kehren Talente der Sportstadt schon in jungen Jahren den Rücken.
Jüngstes Beispiel: Der 14-jährige Fernando Ernesto wechselt (wie berichtet) zum FC Bayern München und verlässt ebenso wie im Vorjahr Julian Ratei (zum TSV 1860 München) schon als C-Jugendlicher die SpVgg Bayreuth. Ein Jahr vorher wanderten im Paket gleich fünf Talente der Altstädter Richtung SpVgg Greuther Fürth ab.
Anfragen an Zwölfjährige "Ich weiß, dass sogar schon Zwölfjährige von Lizenzvereinen angesprochen worden sind", meinte DFB-Jugend-Koordinator Udo Hagen, so dass sich regelrecht die Frage aufdrängt: Blutet die Fußball-Region aus?
Und gleich weiter: Wie will Bayreuth an seine ruhmreiche Fußball-Vergangenheit anknüpfen, wenn schon die 14-Jährigen nicht mehr zu halten sind? Auch die Tatsache, dass der FSV Bayreuth durch einen ungewöhnlichen Aderlass seine A-Junioren möglicherweise aus der Bezirksoberliga abmelden muss, verdeutlicht die Misere in den oberen Altersklassen.
"Ja, der Abstieg unserer A-Junioren aus der Bayernliga Nord schmerzt sehr", lautet die ernüchternde Bestandsaufnahme von SpVgg-Vizepräsident Volker Eller, der seit 25 Jahren in der Nachwuchsarbeit in verschiedenen Funktionen tätig ist. "Durch Verletzungspech hatten wir in der Rückrunde arge Personalprobleme, während unsere B-Junioren als Vizemeister der Bezirksoberliga knapp am Bayernliga-Aufstieg gescheitert sind."
Auch Druck der Eltern Vielleicht wäre der Sprung mit den in den Vorjahren abgewanderten Leistungsträgern geglückt. Eller: "Wir mussten die jungen Leute sogar ohne Vergütung der Fürther ziehen lassen, nicht zuletzt, weil auch verschiedene Eltern Druck ausgeübt haben."
Die Hoffnungen auf baldige Rückkehr einiger Talente erhielten durch das neue Ablösemodell des Bayerischen Verbandes einen gehörigen Dämpfer: "Als Verein der Senioren-Bayernliga müssen wir für einen Jugendspieler einen Grundbetrag von 750 Euro entrichten, der sich erhöht, wenn der Spieler in Auswahlmannschaften aktiv war", hatte sich Eller in den letzten Wochen genau informiert.
Was nicht nur er befürchtet: Verschiedene Spieler fallen bei größeren Vereinen durchs Sieb und der eine oder andere ist für den Fußball für immer verloren. Auf die zusätzliche Förderung seiner Talente beim Bayreuther DFB-Stützpunkt angesprochen, kommt Eller ins Grübeln. "Die Wirkung ist nicht in allen Punkten positiv. Es gibt zweifellos Neid unter den Jugendlichen und damit sind Probleme vorprogrammiert. Obendrein überschätzen Eltern verschiedener Auswahlspieler die Qualifikation ihrer Kinder."
Stützpunkt nicht gefährdet Obwohl die SpVgg Bayreuth ebenso wie die Kulmbacher Region nicht mehr in den Bayernligen präsent sind, sieht DFB-Koordinator Hagen (Bayreuth) die beiden DFB-Stützpunkte nicht in Gefahr. "Nordbayern war noch nie so stark in der Bayernauswahl wie heuer vertreten", sieht er seine Trainer bei der Talentschulung auf dem richtigen Weg.
Er sehe sich nach eigener Aussage allerdings in der Zwickmühle: "Unser Ziel ist die bestmögliche Förderung der Jugendlichen, die sich dann natürlich sportlich entsprechend auch für größere Vereine präsentieren und empfehlen können, aber auch ich sehe das Ausbluten unserer Region mit großer Sorge."
Preiswerte Talente Er stellt sich gegen kurzfristiges Denken vor allem aus der Elternschaft. "Die Bundesligisten suchen jetzt schon unter Zwölfjährigen und versuchen sie an sich zu binden, denn sie können diese Talente relativ preiswert bekommen. Manchmal habe ich den Eindruck, sie verpflichten 20 Jugendliche in der Hoffnung, dass zwei darunter sind, die den Durchbruch schaffen."
Nach seiner Meinung sollten es sich die Eltern gründlich überlegen, ob die langen Fahrten zum Training und nach Hause der Entwicklung nicht sogar schaden könnten."
Auch für Hagen ist das Fehlen einer Bayernliga-Mannschaft im südöstlichen Teil Oberfrankens ein Problem: "Unter diesen Voraussetzungen lässt sich kaum ein Talent zur Rückkehr bewegen."
Ausräumen wollte Hagen den von kleineren Vereinen geäußerte Verdacht, dass Auswahltrainer mitunter den Anstoß zum Vereinswechsel geben. Hagen: "Das dürfen die Trainer gar nicht, denn das ist vom Verband klar geregelt."
Anmerkung:DIESE AUSSAGE IST DOCH WOHL EIN WITZ.
Normale Aussagen der Stützpunkttrainer oder Koordinatoren zu einem talentierten Spieler lauten: Junge, wenn du weiterkommen willst dann musst du höherklassig spielen, evtl. kann ich dir helfen ... und dann beginnt das schaulaufen bei den Vergleichswettkämpfen. Dieser Verdacht liegt meiner Meinung nach, nicht nur bei den sogenannten kleinen Vereinen.
Bei seinen Gedanken um den Fußball-Standort Bayreuth brachte der DFB-Trainer ein vielerorts bewährtes Modell in die Diskussion: "Wir haben nur eine Chance, wenn Schule bzw. Ausbildung, Stützpunkte und Vereine besser koordinieren. Ein Fußball-Internat wäre dabei zweifellos die beste Lösung. In Bayreuth müssen sich Leute einmal zusammensetzen und Überlegungen in diese Richtung anstellen. Dieses Modell müsste dann durch eine so genannte Industrie-Patenschaft ergänzt werden. Ich meine damit Lehrstellen und Ausbildungsplätze unter besonderer Berücksichtigung der Trainingszeiten für die Talente."
Sportamt hilft Nach seiner Einschätzung sind äußere Voraussetzungen zum Teil schon vorhanden: "Der DFB-Stützpunkt erhält vom Bayreuther Sportamt jedenfalls optimale Unterstützung."