Bayreuth statt Beirut

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strive
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Beitrag von strive »

Hier das Interview mit Droste aus dem NK von heute:
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„Ich hasse Bayreuth überhaupt nicht”
Der Journalist, Autor und Sänger Wiglaf Droste ist in der „taz” wortstark über die Bayreuther Festspiele hergefallen

Bayreuth/Berlin
Von Gert-Dieter Meier

Da geht einer an die Grenzen. Oder darüber hinaus. Wiglaf Droste (45), Journalist, Satiriker, Schriftsteller und Sänger, feuert mit scharfer Zunge gegen die Bayreuther Festspiele und das Festspielpublikum. Der KURIER sprach mit ihm am Telefon.
KURIER: Warum hassen Sie eigentlich Bayreuth, Herr Droste?
Droste: Ich hasse Bayreuth überhaupt nicht.

KURIER: Aber Sie nehmen es auf die Schippe.
Droste: Ich bin bisher dreimal in Bayreuth aufgetreten ­ als Schriftsteller, aber auch als Sänger. Und habe Bayreuth als äußerst angenehm empfunden. Wir hatten ein sehr gutes Publikum. Alles, was ich in Bayreuth gesehen habe, hat mir über die Maßen gut gefallen. Und wenn ich dann, jährlich im Sommer, in gewissen Zeitungen und Illustrierten dieses Defilee sehe anlässlich der Eröffnung der Festspiele, für das ich das Wort „Arschgeigenreigen” erfunden habe ­ das ich sehr poetisch finde und noch sehr freundlich ­, dann wundere ich mich immer, warum ausgerechnet diese aufgemaschelte und aufgebrezelte Truppe da immer so widerstandslos in Bayreuth einfallen kann. Und warum sich da nicht die Menschen mit Mistforken an die Stadtgrenze stellen und sagen: „So etwas Unfränkisches geht uns doch auf die Nerven.”

KURIER: Man darf aber doch wohl eine gewisse Faszination entwickeln für Richard Wagner. Der ja immerhin eines geschafft hat: Eine kühne Idee zu entwickeln und diese dann auch noch umzusetzen. Unter Nutzung königlicher Gelder. Ist doch eine tolle Leistung!
Droste: Wagner ist ja eine sehr ambivalente Figur. Kurz bevor ich diesen Text geschrieben habe, habe ich noch mit großem Vergnügen das Vorspiel zum ersten Aufzug „Parsifal” gehört und den „Karfreitagszauber” ­\ großartige Musik. Es gibt ja sehr viel Zartes an Wagner. Ich fürchte aber, dass die Wagnerwahrnehmung in Deutschland eben leider eher auf das Dröhnende und Bramarbasierende abzielt. Wenn ein Künstler wie Wagner letztlich einen Lebenstraum verwirklicht ­ dann ist das eine Sache. Kult aber ­ jeder Kult, auch jeder Personenkult ­ hat, wenn es ins Übertriebene geht, eine suspekte, auch eine lachhafte Seite. Auf die man dann auch mal in Form einer kleinen Kolumne eingehen kann. Diese Kolumne ist mit voller Absicht nicht so differenziert wie das, was ich insgesamt zu Wagner zu sagen hätte. Dieser schnelle, harte Schuss war beabsichtigt. Und ich finde es immer schön, wenn man Humorgrenzen testen kann. Eine Stadt an sich aber kann ja nicht beleidigt werden. Auch wenn ich lustige Leserbriefe bekommen habe. In einem heißt es: „73.000 Bayreuther sind pauschal beleidigt.” Heißt das: Ich habe die beleidigt? Oder sind die beleidigt. Ich glaube: weder noch.

KURIER: Der Kommentar steht ja auf der Seite „Die Wahrheit”. Und ist wohl schon deshalb nicht ernst zu nehmen…
Droste: Auf dieser Seite ist am 26. Juni eine Würdigung des polnischen Staatspräsidenten Lech Kaczynski von Peter Köhler erschienen. Der Herr Kaczynski wollte sich auf gar keinen Fall als Kartoffel bezeichnen lassen. Und da habe ich dann mit ihm erst mal ein Kartoffelgericht geschrieben, damit er überhaupt mal weiß, wie toll eine Kartoffel ist. Es gibt ja auch große Dichter wie Ringelnatz oder F. K. Bernstein, die wunderbare Würdigungen und Verherrlichungen der Kartoffel geschrieben haben. Diese Form von Überreizbarkeit und Überbeleidigtheit empfinde ich als sehr unangenehm. Ich glaube, man tut immer gut daran, auf Satirisches so gelassen und souverän wie möglich zu reagieren. Früher, beim Handball, gab es nach einem Foul einen schönen Spruch: Hand geben. Merken! Die Gelegenheit zu einer Revanche kommt immer irgendwann im Leben.
KURIER: Wobei man beim schnellen, womöglich unreflektierten Lesen schon erschrecken könnte, wenn Sie raten, die israelische Armee möge doch ihre Bomben lieber auf Bayreuth statt auf Beirut werfen\x0f…
Droste: Es gibt nun mal diese Namensgleichheit zwischen Bayreuth und Beirut. Und derzeit erleben wir ja diese äußerst schrecklichen und bedauerlichen Dinge dort. Mir wäre mulmig, als Deutscher den Israelis einen ernst gemeinten guten Ratschlag geben zu wollen. Das steht mir, denke ich, nicht zu. Und deshalb musste Bayreuth eben, wenn es schon ein Kriegsziel geben muss, wegen dieses bedauerlichen Namensmissverständnisses, leider in den sauren Apfel beißen. Zur Rettung einer besseren Welt. Aber ich denke, dass man das nicht weiter kommentieren muss.

KURIER: Sind wir Deutschen überhaupt satirefähig, wenn uns ein Text wie der Ihre schmerzt?
Droste: Schmerz gehört dazu. Wenn man keinen Schmerz empfindet, den man dann aber auch verarbeiten muss, wäre man einfach nur empfindungslos. Humor zu haben, heißt ja nicht Witze zu erzählen, es ist vielmehr eine Haltung zur Welt. Für mich heißt Humor, Dinge, mit denen man im ersten Moment überhaupt nicht zurecht kommt, auf einer anderen Ebene zu verarbeiten.

KURIER: Hatten Sie schon mal das Vergnügen, eine Aufführung in Bayreuth zu erleben?
Droste: Bisher nicht.

KURIER: Sie würden aber gerne?
Droste: Kürzlich gab es eine Liveübertragung vom „Fliegenden Holländer” im Radio. Aber Oper im Radio zu hören, ist Unsinn. Das ist doch Musiktheater! Eigentlich muss man sich das so anschauen, wie es gedacht ist. So gesehen habe ich da noch etwas vor mir.

KURIER: Also: Warten auf Karten!
Droste: Mal sehen…
DI STEFANO
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Beitrag von DI STEFANO »

Erinnert mich irgendwie ( soll jetzt keine Beleidigung sein ) an Ground Hoppers Humor , den versteh ich manchmal ebensowenig. Aber ich bin halt auch n bißchen zu hausbacken was Humor angeht. Wer mich kennt kann dies bestätigen.
Scheich
Beiträge: 1259
Registriert: 29 Okt 2002, 12:51

Beitrag von Scheich »

Viel Laerm um nichts. Taz halt. Da braucht man nicht die Welt erwarten. (Wortspiel!)
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