Förderung des Spitzenfußballs als öffentliches Interesse?

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oldschdodd-fan
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Förderung des Spitzenfußballs als öffentliches Interesse?

Beitrag von oldschdodd-fan »

Ich denke, dass die hier aufgeworfene Frage unter "Sonstiges" weiterdiskutiert werden sollte.
Scheich hat geschrieben: ..insbesondere für strukturschwache Regionen in Ostdeutschland ...
Sorry, aber diese Ost- / West-Kiste finde ich in diesem Zusammenhang vollkommen daneben. Ich habe Ostdeutschland erwähnt, weil´s hier in weiten Teilen eine weniger leistungsstarke Wirtschaft gibt als in Bayreuth/Oberfranken. Und weil dort Dinge bewegt wurden, die in Bayreuth nicht möglich waren. Zudem kenne ich mich in der Region einfach ein bißchen besser aus als z.B. in Schwaben. Hätte ich "Reutlingen" geschrieben, hätte man doch auf die im Gegensatz zu Oberfranken boomende Wirtschaftsregion Stuttgart verwiesen. Nochmal: Dieses "insbesondere.. Ostdeutschland" finde ich komplett daneben, um´s mal ganz zurückhaltend zu sagen.
Scheich hat geschrieben: Ich finde es aber unter dem Strich schon fragwürdig, ob die Förderung des örtlichen Spitzenfußballs ... direkt oder indirekt eine Aufgabe der öffentlichen Hand ist.
Von direkter Förderung war nicht die Rede. Ich denke nicht, dass es Aufgabe von Gebietskörperschaften ist, Fußballvereinen Geldbeträge zur Verfügung zu stellen, denen keine Gegenleistung gegenüber steht. Bei Zuschüssen zu Theatern, Museen und kulturellen Einrichtungen sehe ich da überhaupt kein Problem: Die Gegenleistung ist ja da.
Scheich hat geschrieben: ...oder indirekt ...
Da unterscheiden wir uns aber grundlegend. Wenn eine Kommune - beispielsweise im Bereich des Kreditwesens oder der Ver- und Entsorgungswirtschaft - privaten Unternehmen Konkurrenz macht, dann muß eine Kommune ihre spezifische Aufgabenstellung mit dem privatwirtschaftlichen Engagement in Einklang bringen. Das bedeutet erst einmal: Werbung, Marketing, Sponsoring sind übliche Mittel von Unternehmen zur Kundenbindung und -gewinnung. Das gilt für kommunale Unternehmen genauso wie für private. Hinzu kommt aber die Verantwortung der kommunalen Unternehmen für die Region, die ist hier ungleich größer als bei privaten. Wer als Unternehmen der Bürger am Markt auftritt, muß sich ganz besonders für die Bürger engagieren. Und jetzt die spannende Frage: Handelt man im Sinne der Bürger, also seiner Kunden, wenn man sich z.B. als Sparkasse oder Energieversorger in Cottbus (oder als eon Thüringen in Erfurt oder als Stadtwerke Jena-Pößneck in Jena oder, oder, oder...) bei der Finanzierung des Vereinsbudgets engagiert? Aus meiner Sicht: Klares JA! Gesteigerter Bekanntheitsgrad der Stadt, Identifikationsmerkmal für die Region, "Festspiele für jedermann", Wirtschaftsfaktor (in höheren Ligen nicht zu unterschätzen!) usw. Wer sich hier engagiert, zeigt Verantwortung für eine Region und die Menschen dort. Die Menschen in Städten wie Cottbus identifizieren sich in Folge des Erfolgs der Fußballteams unglaublich stark mit ihren Vereinen - etwas, was es in Bayreuth seit Ende der 70er so kaum noch gegeben hat. Wo wir aber alle gemeinsam gerne wieder hin wollen, oder?
Scheich hat geschrieben:Es hat etwas von "Opium fürs Volk"
Ich gehe mal davon aus, dass man Zweifel daran haben darf, ob dieser marxistische Käse überhaupt eine Diskussion wert ist. Auch wenn Du es im übertragenen Sinn gebraucht haben magst: Richtiger wird´s dadurch nicht. JEDES Engagement für Dinge, die dem Bürger ein gewisses Maß an Freude, Erheiterung, Zerstreuung, Erbauung bieten, kann so bezeichnet werden: Die Festspiele, das Bürgerfest, der Töpferkurs der VHS, die Stadtbibliothek, die vom Stadtgartenamt angelegten Blumenbeete... In Deinem Sinne: Alles "Opium fürs Volk". In meinem Sinne: Sicherung der Lebensqualität in einer Region. Das gilt auch für die SpVgg.
Scheich hat geschrieben:zumal wenn sich bspw. die Steigerung des Bekanntheitsgrades für die Stadt auf Bilder von marodierende Hooliganhorden oder die Zurschaustellung extremistischer Positionen beschränkt.
Ich hätte nicht gedacht, in diesem Forum derart einseitige, vorurteilsbeladene Sch...hausparolen wiederzufinden. Gerade wir als Fußballfans sollten wissen, dass immer von einigen wenigen auf eine gesamte Gruppe geschlossen wird und wie schwer es ist, diese Vorurteile zu widerlegen. Klar gibt es in einigen Teilen Osdeutschlands - nicht überall! - mehr rechte Knallköpfe als anderswo. Übrigens auch linke... Und sicherlich gibt es auch einige Vereine, in denen die sich eine Plattform gesucht haben. Aber gilt das dann als Synonym für den gesamten Fußball im Osten? Warst Du schon mal in Aue oder Cottbus im Stadion? Hast Du dort schon mal miterlebt, wie sich die Menschen dort mit ihrem Verein identifizieren? Und wie wenig dort Deine Unterstellungen zutreffen? Übrigens kenne ich viele Leute, die Anhänger Leipziger Fußballclubs sind - und dabei völlig "normale" Menschen. Du suggerierst, dass das Sponsoring des Fußballsports durch kommnale Unternehmen den Bekannheitsgrad der ostdeutschen Städte allein durch Gewalttaten oder Rechtsextremismus befördern würde. Das ist kompletter Nonsens und wird der Vielzahl von friedlichen Fußballfans dort nicht gerecht.
"Abseits is’, wenn dat lange Arschloch zu spät abspielt.” (Hennes Weisweiler)
sam
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Beitrag von sam »

In der Tat Fakten, die Hand und Fuß haben.

Unter Umständen sollten Kommunen ihre "Sportförderungsmaßnahmen" überdenken bzw. aktualisieren.
Seele: "Ich bin viel zu übergewichtig, und des merk ich aa an mir selber."
Scheich
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Beitrag von Scheich »

oldschdodd-fan hat geschrieben:Sorry, aber diese Ost- / West-Kiste finde ich in diesem Zusammenhang vollkommen daneben. Ich habe Ostdeutschland erwähnt, weil´s hier in weiten Teilen eine weniger leistungsstarke Wirtschaft gibt als in Bayreuth/Oberfranken. Und weil dort Dinge bewegt wurden, die in Bayreuth nicht möglich waren.
Ich habe überhaupt keine "Ost-West-Kiste" draus gemacht. Du hast geschrieben, gerade in Ostdeutschland gäbe es viele strukturschwache Gebiete, in denen dank öffentlichem Engagement höherklassiger Fußball gespielt würde. Dasselbe habe ich mit entgegengesetzter Wertung auch getan. Eine Ossi-Wessi-Polemik habe ich da nun wirklich nicht eröffnet, will ich im Übrigen auch gar nicht.
oldschdodd-fan hat geschrieben:Da unterscheiden wir uns aber grundlegend. Wenn eine Kommune - beispielsweise im Bereich des Kreditwesens oder der Ver- und Entsorgungswirtschaft - privaten Unternehmen Konkurrenz macht, dann muß eine Kommune ihre spezifische Aufgabenstellung mit dem privatwirtschaftlichen Engagement in Einklang bringen. Das bedeutet erst einmal: Werbung, Marketing, Sponsoring sind übliche Mittel von Unternehmen zur Kundenbindung und -gewinnung. Das gilt für kommunale Unternehmen genauso wie für private. Hinzu kommt aber die Verantwortung der kommunalen Unternehmen für die Region, die ist hier ungleich größer als bei privaten. Wer als Unternehmen der Bürger am Markt auftritt, muß sich ganz besonders für die Bürger engagieren. Und jetzt die spannende Frage: Handelt man im Sinne der Bürger, also seiner Kunden, wenn man sich z.B. als Sparkasse oder Energieversorger in Cottbus (oder als eon Thüringen in Erfurt oder als Stadtwerke Jena-Pößneck in Jena oder, oder, oder...) bei der Finanzierung des Vereinsbudgets engagiert? Aus meiner Sicht: Klares JA!
Zunächst einmal verschwimmt für mich bei einer Aussage wie "Warum hat man [die Stadt] nicht Sparkasse und BEW als Sponsoringpartner zur Verfügung gestellt (...)?" die Grenze zwischen direkter und indirekter Förderung. Außerdem müssen wir uns mit Blick auf unsere Situation (leider) schon fragen lassen, ob die OLDSCHDOD bei einem Zuschauerschnitt von unter 1000 Zuschauern mit der attraktivsten (Bayernliga-)Mannschaft, an die ich mich persönlich erinnere, behaupten kann, den etwa 170.000 Bewohnern von Stadt und Landkreis wirklich so am Herzen zu liegen, dass ein umfangreicheres Engagement gerechtfertigt wäre. Unabhängig davon weiß ja auch niemand in Ostdeutschland - oder wo auch immer in Deutschland -, ob die Bürger in XY das öffentliche Engagement der kommunalen Unternehmen in Form von Spitzensportförderung oder lieber in Form von einem monatlichen Freibierfest oder Festivals etc. hätten. Es hat sie ja keiner gefragt.
oldschdodd-fan hat geschrieben:Gesteigerter Bekanntheitsgrad der Stadt, Identifikationsmerkmal für die Region, "Festspiele für jedermann", Wirtschaftsfaktor (in höheren Ligen nicht zu unterschätzen!) usw. Wer sich hier engagiert, zeigt Verantwortung für eine Region und die Menschen dort. Die Menschen in Städten wie Cottbus identifizieren sich in Folge des Erfolgs der Fußballteams unglaublich stark mit ihren Vereinen - etwas, was es in Bayreuth seit Ende der 70er so kaum noch gegeben hat. Wo wir aber alle gemeinsam gerne wieder hin wollen, oder?
Was den Bekanntheitsgrad der Stadt und die Rolle als Wirtschaftsfaktor angeht, ist es doch so, dass beide Effekte, wenn überhaupt, dann wohl eher auftreten werden, wenn der Erfolg sich mit einer gewissen Dauerhaftigkeit einstellt.

Als positive Fälle für gesteigerten Bekanntheitsgrad fallen mir auf Anhieb Aue, Cottbus und Rostock ein. Inwiefern jetzt aber alle diese drei Städte wirtschaftlich profitiert, und dazu noch in einer Art profitiert hätten, die nahelegt, dass eventuell zur Verfügung gestellte Gelder öffentlicher Unternehmen hier optimal eingesetzt wurden, vermag ich nicht zu sagen.

Für andere Städte, wie Jena, Dresden, Jena, Leipzig, Erfurt, Chemnitz, Siegen oder Plauen wage ich zu bezweifeln, ob da tatsächlich mittel- oder langfristig der Bekanntheitsgrad gesteigert wird.

Auch mit Wohlwollen bleibt es letztlich für die öffentliche Hand eine sehr riskante, weil vom wechselhaften sportlichen Erfolg abhängige Investition.

Was Bayreuth angeht, hätten die Stadt - oder der Verein, wenn er die Stadt überzeugen will - einmal eine Analyse darüber anstellen müssen, wieweit sich ein Einsteigen bei der SpVgg lohnen würde. Dass man im Präsidium der OLDSCHDODD mehrheitlich von solchem modernen Schnickschnack nichts hält, ist leider bekannt. Hat die Stadt in den letzten 20 Jahren schon mal evaluiert, ob und was ihre sportlichen Aushängeschilder bringen, oder setzt man dort auch aufs OLDSCHDODD-Prinzip, die Dinge zu handeln?

Zum Thema "Identifikationsmerkmal für die Region" befürchte ich ohnehin, dass da in vielen Regionen die Claims jeweils abgesteckt und bestenfalls langfristig beeinflussbar sind. Ich möchte gar nicht wissen, in welcher Liga die OLDSCHDODD spielen müsste, damit in Bayreuth an einem Wochenende mehr Leute die OLDSCHDODD live verfolgen als nach München, Nürnberg fahren oder Premiere schauen.
oldschdodd-fan hat geschrieben:JEDES Engagement für Dinge, die dem Bürger ein gewisses Maß an Freude, Erheiterung, Zerstreuung, Erbauung bieten, kann so bezeichnet werden: Die Festspiele, das Bürgerfest, der Töpferkurs der VHS, die Stadtbibliothek, die vom Stadtgartenamt angelegten Blumenbeete... In Deinem Sinne: Alles "Opium fürs Volk". In meinem Sinne: Sicherung der Lebensqualität in einer Region. Das gilt auch für die SpVgg.
Ein Unterschied ist, dass es für den Bürger weniger transparent und weniger einfach ist, bei den nächsten OB- und Stadtratswahlen bestimmte Stadträte für das Anlegen oder Nichtanlegen von Blumenbeeten und Busbahnhöfen zu belohnen oder zu bestrafen, als in den eher mittelbar demokratisch-legitimierten Verwaltungs- und Aufsichtsgremien öffentlich-rechtlicher Unternehmen.
oldschdodd-fan hat geschrieben:Ich hätte nicht gedacht, in diesem Forum derart einseitige, vorurteilsbeladene Sch...hausparolen wiederzufinden. Gerade wir als Fußballfans sollten wissen, dass immer von einigen wenigen auf eine gesamte Gruppe geschlossen wird und wie schwer es ist, diese Vorurteile zu widerlegen. Klar gibt es in einigen Teilen Osdeutschlands - nicht überall! - mehr rechte Knallköpfe als anderswo. Übrigens auch linke... Und sicherlich gibt es auch einige Vereine, in denen die sich eine Plattform gesucht haben. Aber gilt das dann als Synonym für den gesamten Fußball im Osten? Warst Du schon mal in Aue oder Cottbus im Stadion? Hast Du dort schon mal miterlebt, wie sich die Menschen dort mit ihrem Verein identifizieren? Und wie wenig dort Deine Unterstellungen zutreffen? Übrigens kenne ich viele Leute, die Anhänger Leipziger Fußballclubs sind - und dabei völlig "normale" Menschen. Du suggerierst, dass das Sponsoring des Fußballsports durch kommnale Unternehmen den Bekannheitsgrad der ostdeutschen Städte allein durch Gewalttaten oder Rechtsextremismus befördern würde. Das ist kompletter Nonsens und wird der Vielzahl von friedlichen Fußballfans dort nicht gerecht.
Der ganze Absatz hat nichts mit dem zu tun, was ich geschrieben habe. Ich suggeriere nichts von dem, was Du mir da unterstellst und vorurteilsbeladen bin ich auch nicht. Nirgends habe ich geschrieben: "Ossis sind alle Nazis und kloppen sich jeden Sonntag auf Fußballspielen." Von "rechts" habe ich auch nichts geschrieben, sondern von "extremistisch".

Ich habe lediglich die Überlegung angestellt, dass es Fälle ("wenn") gibt, in denen der gesteigerte Bekanntheitsgrad einer Stadt oder eines Vereins mit eher unschönen Assoziationen belegt ist. Ich habe weder geschrieben noch nahegelegt, dass das meiner Meinung nach berechtigt ist, noch irgendwie Ostdeutschen irgendwelche extremistischen Neigungen unterstellt.

Es ist aber nun einmal so, dass die öffentliche Wahrnehmung einiger Städte durch Anhänger ihrer Fußballvereine mit Sicherheit nicht positiver geworden ist (Dresden, Leipzig) bzw. ganz Ostdeutschland diskreditiert wird ("Gewalt in ostdeutschen Stadien"). Wenn man von der Steigerung des Bekanntheitsgrades im positiven Sinn spricht, muss man auch auf die möglichen negativen Folgen hinweisen können.

Um das nicht auf ostdeutsche Städte zu beschränken: Schweinfurts oder Bambergs Image werden hier doch auch oft auf das Verhalten bestimmter "Fangruppierungen" reduziert.
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